Beitrag CHEManager
Das Thema Übergabe drängt hierzulande also. Das gilt nicht nur für einzelne Unternehmen und ihre Geschichte, sondern auch hinsichtlich des Wirtschaftssystems.
Fakt ist: Übergabeprozesse werden gerne auf die lange Bank geschoben. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass in ihnen verschiedene Herausforderungsebenen kondensieren. Jahre- oder jahrzehntelanges persönliches Engagement, d. h. geistiges und finanzielles Investment, baut Emotionen auf, die sich nicht ignorieren lassen. Wäre das nicht schon Schwierigkeit genug, gilt es zudem, rechtliche und ökonomische Anforderungen zu lösen – wenn sich überhaupt ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin findet.
Eine Unternehmensübergabe verlangt zahllose Formalitäten. Dass ein Führungswechsel eine Formalie darstellt, lässt sich daraus leider nicht ableiten. Im Gegenteil: Bestehende Strukturen werden aufgebrochen und in eine neue (rechtliche) Konstellation überführt. Dabei entstehen oder offenbaren sich Probleme. Das Beispiel einer Unternehmerin aus dem Münchner Raum zeigt diese Schwierigkeiten. Die Geschäftsfrau hatte die Muster- und Märchenkarriere des deutschen Mittelstands durchlaufen. Nach 20 Berufsjahren in der Verwaltung eines Familienunternehmens stieg sie zur Geschäftsführerin auf. Dabei hatte die Unternehmerin stets unter der Ägide der Seniorchefin gestanden, die ihr mit ihrem Tod 26 % der Anteile an der GmbH vermachte. Den Rest erbte die Tochter, allerdings ohne Stimmrechte.
„Eine Unternehmensübergabe verlangt zahllose Formalitäten.
Dass ein Führungswechsel eine Formalie darstellt,
lässt sich daraus leider nicht ableiten.“
Drei bis fünf Jahre Vorlauf einrechnen
Die Seniorchefin machte vieles richtig. Sie ging die Nachfolge aktiv an, plante voraus. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) empfiehlt, das Nachfolgemanagement mindestens drei Jahre vor einer geplanten Übergabe zu starten. Diesem Richtwert folgen aber nur 40 % der Unternehmen. Die Konsequenzen sind gravierend. Studien kommen zum Ergebnis, dass die Investitionsbereitschaft in Firmen mit ungeklärter Nachfolgethematik um bis zu 40 % nachlässt. Dieses Verhalten lässt sich logisch nachvollziehen. Warum Geld in etwas investieren, dessen Zukunft ich nicht kenne? Warum Geld in etwas investieren, das bald nicht mehr mein Eigentum ist? Die Zurückhaltung, die dem Instinkt entspringt, kein Geld verlieren zu wollen, bewirkt oft genau das: Auf den letzten Metern verlieren Unternehmen enorm an Wert und ihre Eigentümer bares Geld. Vernünftiger, obwohl paradox klingend, ist eine Wertsteigerung der Firma durch gezielte Investition. Zu beachten sind punktgenauer und effektiver Finanzmitteleinsatz bei weiterhin laufendem Tagesgeschäft.
Um hier erfolgreich zu sein und Bereiche mit Potenzialen zu erkennen, bietet sich die Beratung durch Übergabeexperten an. Business Coaches mit entsprechender Erfahrung können nach einer Unternehmensanalyse helfen, einen Maßnahmenplan zu erstellen, der den Firmenwert binnen zwei bis fünf Jahren auf einen Soll-Preis anhebt. Wichtig ist die praxisorientierte Ausarbeitung der Planung. Maßnahmen müssen konkret und terminiert sein, man spricht dabei von hoher Umsetzungsabsicherung. Basis für den Prozess bildet das Wissen über den Ist-Preis des Unternehmens. Der Nachfolgereport der DIHK kam zu dem Ergebnis, dass 39 % der Senior-Unternehmer von einem überhöhten Kaufpreis ausgehen. Es braucht eine solide Bewertung. Spezialisten wie Steuerberater stehen dazu Methoden wie Ertrags- und Substanzwertverfahren, Discounted-Cashflow- oder Multiple-Verfahren zur Verfügung. Eine Überbewertung des Unternehmens mag sich zwar schmeichelnd anfühlen, ist aber letztlich schädlich.
Beziehungsnetze sind Stolperfallen
Schwieriger einzutaxieren, ist der Faktor Mensch. So auch für die Münchner Unternehmerin. Sie saß zwar jetzt am Steuer einer gut funktionierenden Firma, konnte aber keine Zufriedenheit aus ihrer Arbeit ziehen. Der Grund waren ständige Konflikte mit der Erbin, der die Firma auf dem Blatt zu fast zwei Dritteln gehörte. Es kam zu permanenten Einmischungen der eigentlich stimmrechtslosen Miteigentümerin; die geschäftsführende Unternehmerin musste sich für ihre Arbeit rechtfertigen. Sie entschied sich schließlich, durch einen Business Coach eine Perspektive von außen einzubeziehen. Schließlich fand sich eine Lösung im Ankauf der Unternehmensanteile. Es wurde ein langfristiges Konzept projektiert, um dieses Vorhaben zu steuern. Heute ist die Geschäftsführerin zugleich alleinige Eigentümerin und drückt dem Betrieb ihren Stempel auf.
Zu komplizierten Beziehungskonstellationen kommt es in Übergabesituationen häufig. Gerade wenn Familie – in welcher Form auch immer – im Spiel ist. Der geschmeidige Führungswechsel von Generation zu Generation hat mehr mit Wunsch als mit Realität zu tun. Dieser Wunschvorstellung nicht zu entsprechen, hat nichts mit persönlichem Versagen zu tun. Es treten – oft naturgemäß – Situationen auf, in denen eine Moderation oder Mediation durch einen unabhängigen Dritten nützlich bis unvermeidbar sein kann.
Persönliche Zukunft: Unternehmer bleiben Unternehmer
Deutschland gilt als Weltmeister der Hidden Champions. Über 30 Jahre hinweg baute ein Unternehmer seine Firma sukzessive aus und war in einem Nischenmarkt erfolgreich. Diese Entwicklung bewerkstelligte er zusammen mit einem Geschäftspartner, der jetzt ausgestiegen war und seine Anteile an den eigenen Sohn übergeben hatte.
Nach längerer Krankheit wurde aber klar, dass der Sohn nicht Vollzeit in der Geschäftsführung mitwirken kann. Der Unternehmer sah seinen Betrieb in Gefahr. Für ihn schien die Lösung klar: Verkauf. Er ließ sich coachen. Dabei kam ans Licht, dass er eigentlich gerne als Teileigentümer verbleiben, aber seinen Geschäftspartner herauskaufen würde. Immer vor Augen halten müssen sich Firmenchefs, dass eine Übergabe nicht per se das Finale einer Unternehmerkarriere bedeutet. Das unternehmerische Mindset, das man sich über Jahre angeeignet hat, verschwindet nicht mit einer Unterschrift beim Notar. So zeigte es auch der konkrete Fall. Der Unternehmer wollte sich zwar definitiv aus dem operativen Geschäft zurückziehen, aber im Hintergrund gerne noch zur Firma gehören, sodass eine Umgestaltung nötig war. Letztendlich bedeutete das neben dem Erwerb der fehlenden Anteile auch die Suche nach einem Käufer, der den eigenen Vorstellungen entsprach.
Häufig sind es jedoch komplett neue Projekte, die Unternehmer angehen wollen. Auch Aspekte der Altersvorsorge, etwa Investitionen in Vermögenswerte, gehören dazu. Das sollte immer der Schlüssel der Überlegungen und Planungen sein: Was habe ich danach vor und welche finanziellen Mittel brauche ich? In dieser Hinsicht ist die persönliche Zukunft ein oft übergangenes Element der Übergabeplanung. Sich damit auseinanderzusetzen, macht nicht immer Spaß. Aber es ist nicht nur ein Muss – es ist auch eine Chance.
Autorin: Katharina Jantzen, Inhaberin, Amber Coaching – ActionCoach, München
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